Nachdem die Arbeitgeber im öffentlichen Dienst heute Nachmittag in Potsdam in der ersten von drei vereinbarten Verhandlungsrunden kein Angebot abgegeben haben, wird ver.di Baden-Württemberg nun in den nächsten Tagen und Wochen die betroffenen Beschäftigten in den Dienststellen im Land aufsuchen und auch auf möglicherweise notwendige Warnstreiks vorbereiten.
Hanna Binder, stellvertretende ver.di Landesbezirksleiterin: „Nach der Ablehnung eines pragmatischen Kurzläufertarifvertrages durch die Arbeitgeber im Juni ist dies heute die zweite große Enttäuschung für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Es soll keine spürbare materielle Anerkennung für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Infrastruktur unter Pandemiebedingungen geben. Und auch keine Entlastung. Die Sicherheit der Arbeitsplätze reiche als Anerkennung aus.“
Damit versuchen die Arbeitgeber nun zum Beginn der Tarifrunde die Beschäftigten auf einen gemeinsamen Sparkurs einzuschwören, nachdem in den vergangenen Monaten noch viel gelobt und applaudiert wurde.
„Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst haben uns bisher hervorragend durch die Krise gebracht. Auf ihrem Rücken darf jetzt nicht die Haushaltskonsolidierung durchgeführt werden. Und Sicherheit heißt in diesen Wochen und Monaten in erster Linie ausreichender Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz. Sicher war hier in etlichen Bereichen wenig bis nichts“, so Binder: „Es zeichnet sich leider ab. Diese Tarifrunde wird ohne Druck nicht zu einem Ergebnis kommen, das die Leistungen der Beschäftigten und ihre Systemrelevanz widerspiegelt. Darauf bereiten wir die Kolleginnen und Kollegen nun vor.“
Vor der zweiten Verhandlungsrunde plant ver.di in Baden-Württemberg deshalb nun erste Aktionen sowie betriebliche und öffentliche Versammlungen in und vor den jeweiligen Dienststellen: Betroffen sind von den Verhandlungen beispielsweise Beschäftigte in kommunalen Kliniken und Kindertagesstätten, der Gemeinde und Landkreisverwaltung, im kommunalen Nahverkehr und bei der Müllabfuhr, bei der Agentur für Arbeit und den Jobcentern und vielen andere Dienststellen wie Zoll, Rentenversicherung oder auch den Sparkassen.
Die Verhandlungen werden am 19. und 20. September fortgesetzt. Eine dritte und bisher letzte Runde ist ab dem 22. Oktober geplant.
ver.di fordert für die rund 2,3 Millionen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes von Bund und Kommunen unter anderem eine Anhebung der Einkommen um 4,8 Prozent bzw. einen Mindestbetrag von 150 Euro monatlich bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Die Ausbildungsvergütungen und Praktikantenentgelte sollen um 100 Euro monatlich angehoben werden. Gefordert wird die Ost-West-Angleichung der Arbeitszeit. Darüber hinaus soll das Thema der Entlastung der Beschäftigten in den Tarifverhandlungen behandelt werden. Die besonderen Themen des Gesundheitswesens und der Pflege sollen an einem eigenen Verhandlungstisch eingebracht werden. Das Ergebnis soll später zeit- und wirkungsgleich auf Beamt*innen übertragen werden.
In Baden-Württemberg arbeiten nach Zahlen des Statistischen Landesamtes (Stichtag: 30.6.2019) 219.550 Tarifbeschäftigte bei den Kommunen. Etwa 66 Prozent der Beschäftigten sind Frauen, die Teilzeitquote beträgt rund 43 Prozent (insgesamt inklusive Beamt*innen). Im Jahr 2000 lag die Teilzeitquote noch bei 34 Prozent.