ÖPNV BaWü

4.000 streiken zweitägig vor fünfter Verhandlungsrunde

Tarifkonflikt Nahverkehr
23.04.2024
4.000 streiken zweitägig vor fünfter Verhandlungsrunde

4.000 Beschäftigte der sieben kommunalen Nahverkehrsunternehmen in Baden-Württemberg haben gestern und heute die Arbeit niedergelegt, um die Arbeitgeber zu einem deutlich verbesserten Angebot zu zwingen. Die Verhandlungen mit dem Kommunalen Arbeitgeberverband Baden-Württemberg (KAV) werden am kommenden Mittwoch in der inzwischen fünften Runde im Waldaupark in Stuttgart fortgesetzt. Der Tarifkonflikt zieht sich seit Anfang Dezember. Am Montag endete die Urabstimmung für Erzwingungsstreiks zur Durchsetzung der Forderungen mit einer Zustimmung von 92,8 Prozent der ver.di Mitglieder. Auch heute, am zweiten Streiktag, fand in den sieben kommunalen Nahverkehrsbetrieben in Stuttgart, Karlsruhe, Heilbronn, Freiburg, Baden-Baden, Esslingen und Konstanz kein Fahrdienst statt.

Jan Bleckert, ver.di Verhandlungsführer: „Wir verstehen, wie sehr Arbeitsniederlegungen im Nahverkehr Fahrgäste nerven und belasten. Umso weniger verstehen wir, dass die Arbeitgeber die fast sechs Wochen seit dem Scheitern der Verhandlungen nicht für ein verbessertes Angebot genutzt haben. Der KAV will auf keinen Fall, dass wir den Konflikt in die Pfingstferien oder gar die Europameisterschaft ziehen, und wirft uns gleichzeitig vor, jetzt während der Abiturprüfungen zu streiken. Das ist zynisch. Wir erwarten am Mittwoch ein Angebot, das die Belegschaften nicht spaltet und Entlastung durch Arbeitszeitverkürzungen bringt. Mehrere Abschlüsse in der Branche zeigen, dass das geht. Einige davon wurden mit sehr vielen Streiktagen erreicht, andere mit deutlich weniger Belastungen für Fahrgäste. Das bestimmen allein die Arbeitgeber.“

Sollten die Arbeitgeber am Mittwoch ein deutlich verbessertes Angebot verweigern, wird ver.di auch Streikmaßnahmen, die unbefristet durchgeführt werden können, in die Überlegungen einbeziehen.

Die Tarifkommission von ver.di Baden-Württemberg für den kommunalen Nahverkehr hatte am 11. März das überarbeitete Angebot der Arbeitgeber, das diese am Vortag in Mannheim vorgelegt hatten, abgelehnt und das Scheitern der Verhandlungen erklärt sowie die Urabstimmung eingeleitet.

Der KAV hatte in den bisherigen Verhandlungen grundsätzlich abgelehnt, über eine Arbeitszeitverkürzung zu reden und nur den Beschäftigten, die im Schichtdienst arbeiten können, eine Nahverkehrszulage in Höhe von 250 Euro angeboten. Damit sind alle Beschäftigten in Werkstätten und Verwaltung sowie Fahrerinnen und Fahrer, die zum Beispiel aus gesundheitlichen Gründen keine Nachtschicht mehr arbeiten dürfen oder aus familiären Gründen zeitlichen Einschränkungen unterliegen, ausgeschlossen.

Des Weiteren soll die Nahverkehrszulage nicht Bestandteil der Entgeltfortzahlung sein. Beschäftigten wird damit ein Anreiz geboten, krank zur Arbeit zu kommen, weil ansonsten das Gehalt sinkt. Das schadet der Sicherheit der Fahrgäste und wird nach Einschätzung von ver.di mittel- und langfristig zu einer deutlichen Erhöhung der Langzeit-Erkrankungen führen.

Die Tarifverhandlungen für die 6.500 Beschäftigten im Bereich TVN waren am 10. März in Mannheim in vierter Runde fortgesetzt worden, zum Teil in mehrtägigen Terminen. Betroffen sind von dieser Tarifrunde die kommunalen Nahverkehrsbetriebe in Stuttgart, Karlsruhe, Heilbronn, Freiburg, Baden-Baden, Esslingen und Konstanz.

ver.di fordert in dieser Manteltarifrunde unter anderem eine volle Anrechnung der Arbeitszeiten bei Verspätungen und von bisher unbezahlten Wegezeiten im Betrieb sowie eine grundsätzliche Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit. Außerdem eine Nahverkehrszulage für alle Beschäftigten, die den täglichen Stress am Steuer, in den Werkstätten und Verwaltungen und die Verantwortung für die Fahrgäste widerspiegelt.

Branchenabschlüsse 2024 mit Arbeitszeitverkürzung

Abschluss bei der AVG in Karlsruhe mit der gleichen Verhandlungsführerin wie bei den TVN-Verhandlungen:

Schrittweise Absenkung der Wochenarbeitszeit auf 35 Stunden.

Unter der Überschrift „AZV als Instrument um den Fachkräftemangel zu bewältigen!“ hat ver.di 2024 bereits Abschlüsse in anderen Bundesländern erreicht.

Abschluss Hamburger Hochbahn:

  • Schrittweise Absenkung Wochenarbeitszeit auf 37 Stunden;
  • zusätzlicher freier Tag als Urlaubstag;
  • Anerkennung von Weihnachten und Silvester als Feiertage, damit Absenkung der Jahressollarbeitszeit (Entlastungsfaktor);
  • Entlastung bei den maximalen Dienstlängen.

Abschluss Schleswig Holstein:

  • Schrittweise Absenkung Wochenarbeitszeit auf 37,5 Stunden;
  • Zusätzliche drei Entlastungstage (Freizeit am Stück: entspricht rechnerisch insgesamt noch einer weiteren ½ Stunde AZV)

In Berlin gibt es bereits eine tarifvertraglich geregelte 37,5 Stundenwoche.

 

Weiterlesen

1/30